Als die 90er Jahre anbrechen sind die Glanzzeiten des Hair-Metal Geschichte. Stattdessen sind die Hardrocker von Guns N' Roses gerade die Nummer Eins im Rockgeschäft, aber schon bald kommt mit Grunge ein neues Genre auf, dass die Rockmusik der Neunziger so dominieren sollte, wie es kaum eine andere Musikrichtung vorher geschafft hatte. Auch an der härteren musikalischen Front gibt es neue Entwicklungen: Der Crossover-Boom bringt ab Mitte des Jahrzehnts legendäre Nu-Metal-Bands wie Slipknot oder KoRn nach vorn.
Wir stellen Euch an dieser Stelle zehn außergewöhnliche Alben vor, die einen solchen Einfluss hatten oder haben, dass sie einfach in jede Plattensammlung gehören.
Metallica – „Metallica“ (1991)
Als die Menschheit am 12. August 1991 erwacht, ist die Welt schwarz: Metallica sind wieder da. Wegen des beinahe vollständig dunklen Covers geht das fünfte Album der Kalifornier als „The Black Album“ oder auch „Die Schwarze“ in die Rockgeschichte ein, doch eigentlich heißt die Platte schlicht: „Metallica“. Die Thrash-Metal-Elemente der Band rücken darauf in den Hintergrund, stattdessen klingt alles grooviger und ja, kommerzieller. Das liegt nicht zuletzt an Produzent Bob Rock, der vorher mit Mainstream-Erfolgstruppen wie Mötley Crüe und Bon Jovi zusammengearbeitet hatte. Bis heute spaltet Metallicas Fünfte die Gemüter: Die einen werfen der Gruppe Ausverkauf vor; die anderen feiern die Platte für unsterbliche Klassiker wie „Enter Sandman“, „Sad But True“ und „Nothing Else Matters“. Was die Zahlen betrifft, gibt es keinen Zweifel: „Metallica“ ist das meistverkaufte Metal-Album aller Zeiten. Das wird seine Gründe haben.
Nirvana – „Nevermind“ (1991)
Bei allem Respekt vor Metallica und Co.: Die 90er sind vor allem das Jahrzehnt des Grunge. Alice In Chains, Pearl Jam, Soundgarden: Sie alle veröffentlichen von 1990 bis 1999 herausragende Alben, die den Rock prägen und zum Sprachrohr einer ganzen Generation werden. Doch ein Stern am Himmel von Seattle leuchtet besonders hell: Nirvana. Ganze 30 Millionen Mal geht ihr zweites Werk „Nevermind“ über die Ladentheke und zählt damit zu den meistverkauften Platten aller Zeiten. Darauf enthalten: ewige Hits wie „Come As You Are“, „Lithium“, „In Bloom“ und natürlich die Über-Single „Smells Like Teen Spirit“. Leider endet die Geschichte der Band auf tragische Art und Weise, als sich Frontmann Kurt Cobain am 5. April 1994 im Alter von nur 27 Jahren das Leben nimmt. Sein musikalisches Vermächtnis bleibt unvergessen.
Red Hot Chili Peppers – „Blood Sugar Sex Magik“ (1991)
Die Red Hot Chili Peppers stehen für die Gratwanderung zwischen hartem Funk-Groove und poppiger Eingängigkeit. Auf ihrem fünften Album „Blood Sugar Sex Magik“ gelingt den Kaliforniern der Spagat zum ersten Mal in Perfektion. Dabei spielt vor allem Produzent Rick Rubin eine Rolle, der während der Produktion der Platte das tut, was er am besten kann: Er reduziert die Red Hot Chili Peppers auf ihre Quintessenz. „Sein wichtigster Einfluss war der, dass er uns gesagt hat, was wir nicht machen sollen“, erinnert sich Bassist Flea später in einem Interview. „Er hat uns gezeigt, wie wir uns auf einen Song fokussieren.“ Das fünfte Werk der Peppers strotzt nur so vor Groove, Einfallsreichtum und Virtuosität und steht nicht nur deshalb in mehr als 15 Millionen Plattenregalen. Solche Verkaufszahlen konnte die Band nur noch ein einziges Mal toppen und zwar mit ihrem siebten Album „Californication“ (1999). Zum Schluss noch ein Fun-Fact: „Blood Sugar Sex Magic“ und „Nevermind“ von Nirvana erscheinen beide am 24. September 1991, kurz nach der „Schwarzen“ von Metallica. So viel legendäre Musik in so wenig Zeit …
U2 – „Achtung Baby“ (1991)
Die 90er bringen nicht nur jede Menge neue Bands hervor. Nein, auch unsere Helden der 70er und 80er veröffentlichen ab 1990 weiterhin Meilensteine für die Ewigkeit. Da wären zum Beispiel U2, die sich mit ihrem siebten Album „Achtung Baby“ noch einmal völlig neu erfinden. Waren die bisherigen Platten der Iren recht ernst und glatt, entdeckt die Gruppe Anfang der Neunziger die Selbstironie und verpasst ihrem Sound ein deutlich rockigeres Gewand. Damit legt die Band zu Beginn des Jahrzehnts den Grundstein dafür, dass sie jahrzehntelang erfolgreich bleibt. Doch auch andere klassische Rocker erleben in den 90ern einen zweiten Frühling: Genesis veröffentlichen mit „We Can’t Dance“ (1991) das erfolgreichste Album ihrer Karriere. Queen bringen mit „Innuendo“ (1991) und „Made In Heaven“ (1995) ihre letzten zwei Platten raus. Guns N' Roses manifestieren mit „Use Your Illusion I & II“ ihren Status als Könige des Sleaze Rock. Meat Loaf knüpft mit „Bat Out Of Hell II: Back Into Hell“ (1993) an seinen Mega-Hit „Bat Out Of Hell“ (1977) an. Aerosmith setzen mit „Get A Grip“ (1993) ihr großes Comeback fort und landen zum allerersten Mal auf Platz eins der US-Albumcharts. Santana veröffentlicht mit „Supernatural“ (1999) ein Jahrhundertwerk, für das es ganze neun Grammys hagelt. Was für eine Zeit.
Rage Against The Machine – „Rage Against The Machine“ (1992)
Klar, echte Rocker wie wir müssen Hip-Hop doof finden. Anders sieht es aus, wenn Bands wie Rage Against The Machine das Genre in ihren Mix aus Metal, Funk, Punk und Alternative Rock einbinden. Als die Kalifornier 1991 ihr Debütalbum „Rage Against The Machine“ veröffentlichen, reißen Sänger Zack de la Rocha, Gitarrist Tom Morello, Bassist Tim Commerford und Schlagzeuger Brad Wilk damit endgültig eine unsichtbare Mauer ein. Kollaborationen zwischen den beiden Welten hatte es auch vorher schon gegeben, zum Beispiel als Aerosmith ihren Klassiker „Walk This Way“ noch einmal mit Run-D.M.C. aufnahmen, als Slayer-Gitarrist Kerry King auf dem Debüt der Beastie Boys Gitarre spielte und als Rapper Ice-T und Body Count die Musikrichtungen Metal und Hip-Hop miteinander verheirateten. Rage Against The Machine gehen den Weg mit ihrem ersten Album konsequent zu Ende und schaffen ihren völlig eigenen Crossover-Mix. Mit Songs wie „Bombtrack“, „Killing In The Name“ und „Bullet In The Head“ stürmt die Gruppe nicht nur die Charts, sondern ebnet auch noch den Weg für eine Musikrichtung, die ab Mitte der 90er die Welt erobern soll: Nu Metal. Doch dazu gleich mehr …
Green Day – „Dookie“ (1994)
Nietengürtel, Irokesenschnitte, Dosenbier: Punk gehört sicher nicht zu den massentauglichsten Musikrichtungen. Das ändert sich in den 90ern, als sich ein „Pop“ vor den Punk schleicht. Gruppen wie Blink-182 und The Offspring definieren das Genre neu, vor allem Green Day bahnen dem Punk den Weg ans obere Ende der Charts. Doch der Erfolg bleibt nicht ohne Gegenwind: Mit ihrem ersten großen Plattenvertrag vergraulen Green Day ihre frühen Fans aus der kalifornischen Szene, die der jungen Band Ausverkauf vorwerfen. Der Club 924 Gilman Street spricht den Musikern sogar ein Hausverbot aus. „Wir konnten nicht zurück in die Punkszene“, erinnert sich Frontmann Billie Joe Armstrong 1999 in einem Interview mit dem Magazin Spin. „Egal, ob als erfolgreichste Band des Planeten oder als gescheitertes Projekt. Es gab nur eine Möglichkeit: den Blick nach vorne.“ In nur drei Wochen spielen Green Day ihr drittes Album „Dookie“ ein. Die Bedeutung des Titels: „Kacke“. Der Hintergrund: Green Day touren zu Beginn der 90er viel und nehmen nicht immer die beste Nahrung zu sich. Das führt zu Durchfall, den die Musiker liebevoll als „liquid dookie“ bezeichnen, also als „flüssige Kacke“. Trotz (oder wegen) des unappetitlichen Titels geht das Album mehr als 20 Millionen Mal über die Ladentheke, öfter als jede andere Pop-Punk-Platte.
Kyuss – „Welcome To Sky Valley“ (1994)
Was passiert, wenn sich ein paar Jugendliche in einer Rentnerstadt mitten in der kalifornischen Wüste zu Tode langweilen? Genau, sie erfinden ein Musik-Genre. Das gilt zumindest für Kyuss und die „Palm Desert Scene“. Weil sie in ihrer Heimatstadt Palm Desert die Regenwürmer husten hören können, flüchten sich die Musiker John Garcia, Josh Homme, Nick Oliveri und Brant Björk in die Wüste, wo ein gewisser Mario Lalli („The Godfather Of Desert Rock“) sogenannte „Generator Partys“ veranstaltet. Die vier Künstler stimmen ihre Gitarren runter und schaffen einen völlig neuen Sound: Stoner Rock. Charakteristisch für die Musikrichtung: langsame Riffs, tiefe Bässe und jede Menge Verzerrung. Dafür steht auch das wohl beste Kyuss-Album „Welcome To The Sky Valley“ mit großartigen Stücken wie „Space Cadet“, „Demon Cleaner“ und „Gardenia“. Aus der Szene in der Wüste gehen später zahlreiche weitere Bands hervor, wie zum Beispiel die Queens Of The Stone Age mit Ex-Kyuss-Gitarrist Josh Homme. In Los Angeles dominieren Fu Manchu das Geschehen; auf der anderen Seite der USA wirbeln Monster Magnet reichlich Wüstenstaub auf.
Korn – „Korn“ (1994)
Nach dem zunächst rockigen und grungigen Start der 90er bahnt sich gegen Mitte des Jahrzehnts ein echtes Erdbeben an: der Nu Metal. „Are you ready?“, brüllt Frontmann Jonathan Davis gleich zu Beginn des Korn-Debüts. Ja, verdammt! Das sind wir! Tiefböse Gitarren, Hip-Hop-artige Beats, die unverwechselbare Slap-Technik von Bassist Fieldy: So etwas wie Korn hat 1994 noch niemand gehört. Die Grundlage für den Sound der Kalifornier liefern Gruppen wie Prong und Helmet, doch Korn gehen weiter als ihre Helden und erschaffen etwas völlig Neues. „Wir wollten klingen, als hätte ein DJ unsere Gitarren remixt“, erinnert sich Gitarrist James „Munky“ Shaffer in einem Interview mit dem Rolling Stone. „Als hätte er sie zerschnitten und gescratcht. So ist dieser Sound entstanden.“ Über die Düsternis der Texte erzählt Sänger Jonathan Davis im Interview mit Loudwire: „Ich habe mich schon immer gefühlt, als würde ich Schmerz magisch anziehen und ich habe keine Angst, darüber zu singen, auch wenn vieles davon sehr persönlich ist.“ Mit ihrem ersten Album treten Korn den nächsten großen Trend der 90er los. Gruppen wie Limp Bizkit, Slipknot und Linkin Park folgen ihnen.
Oasis – „(What’s The Story) Morning Glory“ (1995)
Heute stehen Oasis oft für die legendären Streitigkeiten zwischen den Gallagher-Brüdern, doch als die Band Mitte der Neunziger die beiden Alben „Definitely Maybe“ und „(What’s The Story) Morning Glory“ veröffentlicht, gehört den Engländern vor allem musikalisch die ganze Welt. Mit ihrem Britpop lassen sie die goldene Ära der britischen Musik hochleben, von den Swinging Sixties bis zum Indie der 80er. Miese Laune und Holzfällerhemden? Lieber nicht. Den berühmtesten Britpoppern Blur und Oasis ist der Grunge zu düster und sie feiern lieber ihr Britischsein. Für ihren größten kommerziellen Erfolg „(What’s The Story) Morning Glory“ lassen sich Oasis von den Beatles inspirieren sowie vom Glam Rock der 70er. Sie bedienen sich bei den Sex Pistols und bei den Smiths. Mehr als 22 Millionen Käuferinnen und Käufer honorieren das und befördern Oasis mit Karacho an die Spitze der britischen Charts. (Das gelingt Oasis übrigens mit ausnahmslos jedem ihrer Alben.) Ab 1996 ebbt das Interesse am Britpop ab, doch Oasis und Blur haben mit ihren ersten Platten deutlich klar gemacht: England ist noch im Spiel.
Foo Fighters – „The Colour And The Shape“ (1997)
Die Foo Fighters haben im Lauf ihrer Karriere überraschenderweise keine zweistelligen Millionen-Seller veröffentlicht, aber dennoch darf sich Dave Grohl damit rühmen, gleich zweimal in dieser Liste aufzutauchen: als Schlagzeuger von Nirvana auf „Nevermind“ und als Sänger und Gitarrist auf „The Colour And The Shape“ von den Foo Fighters. Nahm Grohl das Debüt der Band noch komplett im Alleingang auf, handelt es sich bei „The Colour And The Shape“ um die erste Foo-Fighters-Platte, auf der eine komplette Band zu hören ist. Nicht nur das: Der Sound von Grohls Baby klingt auf der zweiten Veröffentlichung durchdachter, runder und macht vor allem jede Menge Spaß. Niemand behauptet, die Foo Fighters hätten das Rad neu erfunden. Ganz im Gegenteil: Grohl setzt zuverlässig auf 80 Prozent Altbewährtes und 20 Prozent Innovation. Doch genau das ist sein Erfolgsrezept: sympathischer Jedermann-Rock, den es neben der Avantgarde und den großen Pionieren ja auch geben muss. Und keiner bringt das besser rüber als er.
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