Let’s go down south! Den Begriff „Südstaatenromantik“ gibt es nicht umsonst. Ob staubige Straßen, blubbernde Bikes oder Dosenbier auf der Veranda: In Florida, Georgia und Co. ticken die Uhren ein wenig anders. Auf politischer Ebene gibt es dort sicher reichlich Diskussionsstoff, doch in musikalischer Hinsicht ist der US-amerikanische Süden über jeden Zweifel erhaben. Diese sieben Songs solltet Ihr Euch auf keinen Fall entgehen lassen.
The Allman Brothers Band - „Midnight Rider“
Was macht man, wenn man den Geistesblitz seines Leben hat, das Aufnahmestudio aber abgeschlossen ist? Genau: Man zertrümmert das Fenster, bricht ein und findet auf eigene Faust heraus, wie das verdammte Mischpult funktioniert. Genau so soll es sich bei der Entstehung des Songs „Midnight Rider“ von der Allman Brothers Band zugetragen haben. Als die Gruppe Anfang 1970 in einem Bauernhaus bei Macon (Georgia) campiert, fühlt sich Gregg Allman dort so unbeobachtet, dass er gerne mal einen Joint raucht. Oder zwei oder drei… Eines Tages schlägt der kreative Blitz ein: In gerade einmal einer Stunde bringt er eine Idee zu Papier, noch in derselben Nacht spielt er mit Roadie Kim Payne eine Demo-Version des Stücks ein. Dafür muss er allerdings einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Die nahegelegenen Capricorn Sound Studios haben nämlich bereits geschlossen und als Allman zu nächtlicher Stunde bei den beiden Produzenten Johnny Sandlin und Paul Hornsby durchklingelt, lassen die zwei Herren den Musiker freundlich aber bestimmt wissen, dass er sich doch bitte bis zum Morgengrauen zum Teufel scheren soll. Anschließend kommt es zum besagten Einbruch. Zum Glück! Denn dadurch entsteht einer der größten Hits der Allman Brothers Band und ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung des Southern Rock.
The Allman Brothers Band - „Ramblin’ Man“
Das Stück „Ramblin’ Man“ stammt aus der Feder von Allman-Brothers-Gitarrist Dickey Betts. Mehr als ein ganzes Jahr arbeitet der Musiker an der Nummer, doch den Text verfasst er in gerade einmal 20 Minuten. „Ich habe ‚Ramblin‘ Man’ um etwa vier Uhr morgens in der Küche von Berry Oakley geschrieben“, gibt Betts 2014 in einem Interview zu Protokoll. Berry Oakley, das war der Bassist der Allman Brothers Band, der am 11. November 1972 mit nur 24 Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben kam — genau wie Gitarrist Duane Allman ein Jahr zuvor. In „Ramblin’ Man“ hat Oakley einen seiner letzten Auftritte. Die Inspiration für das Stück liefert der gleichnamige Song von Country-Legende Hank Williams Sr. von 1951. „Das Lied geht definitiv in Richtung Country, aber das hat mich nicht im geringsten gestört“, berichtet Keyboarder Chuck Leavell in einem Interview. „Wir dachten nur: Lasst uns das Ding nehmen und es so großartig machen, wie wir nur können.“ Als die Single im August 1973 erscheint, erreicht die Allman Brothers Band damit zum ersten und einzigen Mal die Top 10 der US-Singlecharts. Noch heute zählt „Ramblin’ Man“ zu den großen Klassikern des Southern Rock. Völlig zurecht!
Lynyrd Skynyrd - „Free Bird“
Mit ihrem neunminütigen Monumentalwerk „Free Bird“ setzen Lynyrd Skynyrd zu Beginn der 70er ihre erste Duftmarke in der US-amerikanischen Musiklandschaft. Genauer gesagt: mit der verkürzten Single-Version ihres neunminütigen Monumentalwerks „Free Bird“. So erscheint die lange Variante des Stücks zwar bereits 1973 auf dem Debüt der Gruppe, doch der Durchbruch gelingt Lynyrd Skynyrd erst mit der kürzeren Auskopplung im November 1974. Für die ausschweifenden Soli in der Originalversion gibt es einen ganz pragmatischen Grund: Zu Beginn ihrer Karriere spielen Lynyrd Skynyrd teilweise mehrere Shows pro Tag, weshalb Frontmann Ronnie Van Zant zwischendurch auch mal eine Pause braucht. Auf der Bühne dehnen die Southern Rocker das Stück bisweilen sogar auf 14 Minuten aus. Die Inspiration für eine der prägnantesten Textzeilen liefert die Partnerin von Gitarrist Allen Collins, die ihn fragt: „If I leave here tomorrow, would you still remember me?“ Das notiert sich Collins natürlich sofort und später wird daraus der Opener von „Free Bird“. Für Keyboard-Roadie Billy Powell ändert sich durch den Song einiges: Als Lynyrd Skynyrd herausfinden, dass er einen Part für „Free Bird“ geschrieben hat, holen sie ihn offiziell in die Band. Dort bleibt er auch, und zwar bis zu seinem Tod im Jahr 2009.
Lynyrd Skynyrd - „Sweet Home Alabama“
Wenn wir die ersten Töne dieses legendären Songs hören, denken wir an Sommer, Sonnenschein und eine Flasche Bier in der Hand, klar. Eigentlich geht es in „Sweet Home Alabama“ aber um etwas ganz anderes: um Politik. Das Stück stellt nämlich eine Reaktion auf die zwei Neil-Young-Songs „Southern Man“ und „Alabama“ dar, in denen sich die Folk-Legende laut Felix Contreras von National Public Radio „den gesamten Süden für die blutige Geschichte der Sklaverei und ihre Auswirkungen zur Brust nimmt“. Das können und wollen die Südstaatler Lynyrd Skynyrd so nicht hinnehmen und komponieren eine entsprechende Antwort. „Wir hatten das Gefühl, dass Neil auf alle Enten schießt, um eine oder zwei von ihnen zu töten“, gibt Lynyrd-Skynyrd-Frontmann Ronnie Van Zant in einem Interview mit dem Rolling Stone zu Protokoll. Mit „Sweet Home Alabama“ löst die Band zwar ebenfalls die ein oder andere Kontroverse aus, doch aus der Rockgeschichte ist dieser Song keinesfalls wegzudenken. Ein indirektes Revival erfährt die ohnehin schon weltberühmte Nummer, als Kid Rock im Sommer 2008 die beiden Songs „Sweet Home Alabama“ und „Werewolves Of London“ von Warren Zevon miteinander vermischt. Das Ergebnis: die Hit-Single „All Summer Long“.
Southern Rock
Southern Rock
Der Southern Rock-Stream hat alles was das echte Rockerherz begehrt: verzerrte Gitarren, harte Riffs und Elemente von Blues und Country!
The Outlaws - „Green Grass & High Tides“
The Outlaws aus Tampa (Florida) gehören zu den nicht ganz so bekannten Bands des Southern Rock. Mit ihrem Song „Green Grass And High Tides“ landen die Südstaatler allerdings einen großen Hit, obwohl sie das Stück noch nicht einmal als Single auskoppeln. Das wäre bei einer Laufzeit von fast zehn Minuten auch schwierig geworden. „Ich habe den Song in Augustine, Florida geschrieben“, gibt Outlaws-Gitarrist und -Gründungsmitglied Hughie Thomasson in einem Interview zu Protokoll, „Ich stand am Meer, es ging ein leichter Wind und der Text kam mir einfach so in den Sinn. Es geht darin um all die Rockstars, die ich mochte, und darum, dass sie zurückkehren und nur für mich eine Show spielen. Wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison.“ Die Inspiration für den Songtitel liefert die Rolling-Stones-Compilation „Big Hits (High Tide And Green Grass)“. Auf der Bühne ziehen die Outlaws das Stück auch gerne mal über 20 Minuten, zum Beispiel auf der Live-Platte „Bring It Back Alive“ (1978). In der Live-Aufnahme widmen die Outlaws den Song ihren Freunden von Lynyrd Skynyrd, die am 20. Oktober 1977 einen Flugzeugabsturz erlitten hatten, der sieben das Leben kostete, darunter zwei Bandmitglieder.
Molly Hatchet - „Flirtin’ With Disaster“
Auch Molly Hatchet stammen aus Florida und veröffentlichen im September 1979 ihr zweites Album „Flirtin’ With Disaster“. Mit dem gleichnamigen Titeltrack landet die Gruppe ihren größten Hit, bis heute darf das Stück bei keiner Live-Show der Band fehlen. Kein Wunder: Die Nummer enthält alles, was Molly Hatchet ausmacht. Ob das energiegeladene Riffing, der hedonistische Text oder die versierte Arbeit an der Sologitarre: Die Band um Gründer Dave Hlubek macht keinen Hehl daraus, dass sie nicht unbedingt auf Schnörkel steht, sondern es lieber direkt mag. Das Artwork für die Platte stammt von Fantasy- und Science-Fiction-Legende Frank Frazetta, der zum Beispiel die Filmposter für Streifen wie „Der Mann, der niemals aufgibt“ mit Clint Eastwood und den Zeichentrickfilm „Feuer und Eis“ (1983) entwirft. Auch das Cover für das Debütalbum der australischen Rocker Wolfmother stammt aus seinem Pinsel.
1987 steigt Gründer Hlubek bei Molly Hatchet aus, weil er laut eigener Aussage „unerträglich“ geworden war. „Ich hatte ein furchtbares, furchtbares Kokainproblem“, verrät er später in einem Interview. 2005 kehrt er zu seiner Gruppe zurück, geht allerdings nicht mehr so oft mit auf Tour. Die Freizeit nutzt er, um mit einem Ghostwriter an seiner Biografie zu arbeiten. Am 2. September 2017 stirbt er im Alter von 66 Jahren.
Blackberry Smoke - „Waiting For The Thunder“
Mit ihrem großen Durchbruch haben sich Blackberry Smoke aus Atlanta (Georgia) eine Menge Zeit gelassen. Im Jahr 2000 gegründet, gelingt den Southern Rockern erst ab 2010 Stück für Stück der große Erfolg. Für den Wandel sorgt die dritte Platte „The Whippoorwill“ von 2012; mit „Holding All The Roses“ legen Blackberry Smoke im Jahr 2015 einen 1A-Anschlusserfolg nach. Ihr fünftes Album „Like An Arrow“ hatte die Gruppe aus Georgia eigentlich gar nicht geplant, wie Frontmann Charly Starr im Interview mit The Boot verrät: „Wir hatten im Januar [2016] einen Monat frei und ich habe in der Zeit ein paar Songs geschrieben. Wir hatten noch gar nicht darüber gesprochen, wo wir unser nächstes Album aufnehmen wollen, mit welchem Produzenten wir zusammenarbeiten wollen und all das.“ Weil alles so spontan passiert, entscheiden sich die Musiker dazu, die Platte einfach selbst zu produzieren. Als „glücklichen Unfall“ bezeichnet Starr das Album. Das kann man wohl sagen, denn mit „Waiting For The Thunder“ enthält „Like An Arrow“ einen besonders starken Blackberry-Smoke-Song. Zu Beginn ihrer Karriere hatte die Band noch das Problem, dass sie zu hart für das Country-Radio und zu weich für das Rock-Radio war. Heute feiern Blackberry Smoke mit genau dieser eigenwilligen Mischung weltweit Erfolge.