Nach einer ausgiebigen Welt-Tournee zum Vorgänger-Album “Green” nahmen sich R.E.M. zunächst mal ein Jahr Auszeit, um sich zu erholen und Kraft zu schöpfen. Mit gebündelter Energie taten sie sich dann dann im Sommer 1990 zusammen und gingen für die Aufnahmen von “Out of Time” ins Studio - ein Album, das ihr wichtigstes und erfolgreichstes Werk werden sollte.
Es war bereits die siebte Platte der Alternative Rocker, die ihnen über 10 Jahre nach ihrer Gründung zu ihrem fast schon überraschenden Durchbruch verholfen hat. Von heute auf morgen wurden R.E.M. zur wohl größten Alternative-Rockband der Welt und haben mit ihrer Musik den Begriff “Alternative” gleichzeitig neu erfunden. Sänger Michael Stipe bedeuten Genre-Abgrenzungen allerdings nicht sonderlich viel: “Wir machen Musik, die uns gefällt. Ich fand es schon immer witzig, dass wir zehn Millionen Platten verkaufen konnten und „alternativ“ genannt wurden. Das sollte wohl nur heißen, dass wir keine Pudelfrisuren trugen und keine komisch geformten Gitarren spielten”, sagte er in einem Interview mit dem Classic Rock Magazin. Aber ganz egal ob Mainstream oder Alternative - dieses Album ist ein Meilenstein und absolut hörenswert. Diverse Grammy-Nominierungen und Platzierungen an der Spitze der Charts sprechen hier definitiv für sich! Spannende Fakten rund um die Entstehung, Erfolge und die einzelnen Songs findet ihr hier:
Harte Fakten:
“Out of Time”
Veröffentlichung: 12. März 1991
Genre: Alternative Rock
Besetzung:
-
Gesang: Michael Stipe
-
Gitarre: Peter Buck
-
Bass: Mike Mills
-
Drums: Bill Berry
-
Durch den Erfolg von “Green” hatten R.E.M. den Mut und die nötige Überzeugungskraft, um beim Nachfolger “Out of Time” optimal arbeiten zu können: Sowohl zeitlich als auch finanziell konnte es sich die Band nun leisten, sich ausreichend Zeit zu nehmen und sich nicht abhetzen zu müssen. Was dabei herauskam wäre für viele andere Bands sicherlich ein kommerzieller Rückschritt gewesen: Teils melancholisch-poppig, ungewöhnliche Feature-Gäste und Mandolinenspiel auf der ersten Single!? Für R.E.M. aber genau das Richtige zum richtigen Zeitpunkt.
-
“Out of Time” wurde weltweit mehr als 10 Millionen Mal verkauft, landete in Großbritannien und den USA (dort sogar zweimal) auf Platz #1 der Charts. In Deutschland mussten sich sich nur knapp den Scorpions mit “Crazy World” geschlagen geben
-
Für insgesamt 109 Wochen, also mehr als zwei Jahre, stand die Platte in den US-Album-Charts, in Großbritannien sogar 183 Wochen
- Es gab im Anschluss an die Veröffentlichung keine Tour, um das Album zu promoten! Das hatte die Band nach der ausgedehnten "Green"-Tour mit 130 Konzerten auf der ganzen Welt beschlossen. Der Verschleiß und die Belastung waren erstmal genug für die Mannen um Michael Stipe. Stattdessen traten Michael Stipe & Co. nur in einigen TV- und Radio-Shows auf und spielten auf einigen Festivals. Dazu gab es dann im April die Aufnahme des MTV Unplugged Konzerts.
- Das Album hat R.E.M. stolze sieben Grammy-Nominierungen eingebracht! Abgeräumt haben sie in den Kategorien des “Best Alternative Music Album” sowie “Best Short From Music Video” und “Best Pop Performance by a Duo or Group with Vocal” für die Single “Losing My Religion”
-
“Losing My Religion” war die erste, auch “lead in” genannte Single des Albums und maßgeblich für den großen Erfolg und Durchbruch der Band verantwortlich. Allerdings war das so gar nicht gedacht: Eigentlich sollte die erste Single nur erste Aufmerksamkeit für das Album bringen, um dann mit der zweiten Single erst richtig zu überzeugen. Dass bereits die erste Single so durch die Decke geht, hätte in der Band und beim Label wohl niemand gedacht.
-
Der Ausdruck, der mit "Losing My Religion" beschrieben wird, heißt eigentlich “Lost My Religion” und ist ein alter Spruch aus den US-Südstaaten. Damit ist gemeint, dass der eigene Glaube so weit herausgefordert wird, dass man seinen Glauben verlieren könnte. Im Song geht es nicht tatsächlich um Religion, sondern um eine unerwiderte Liebe.
- Die Gesangspart zu “Losing My Religion” hat Michael Stipe fast nackt eingesungen. Für ihn war es immer ein besonders emotionaler Moment, wenn er seine Ideen und Lyrics zum ersten mal präsentieren konnte. Als der Toningenieur dann mal nicht aufpasste, wurde Michael so wütend, dass er sich vor lauter Aufregung nach und nach seine Klamotten auszog.
-
Im Jahr 2005 erschien eine Neuauflage des Albums, die unter anderem mit einem erweiterten Booklet und einer Bonus-Audio-DVD mit 5.1 Surround-Sound ausgestattet war. Zum 25-jährigen Jubiläum folgte eine weitere Auflage mit bisher unveröffentlichten Demo-Versionen.
-
In Spanien gab es einen Kunst-Wettbewerb für ein alternatives Albumcover, das dann auf einer limitierten Ausgabe des Albums zu sehen war. So sah das Gewinner-Motiv aus (siehe rechts).
-
In den USA war auf der Rückseite der CD-Longbox eine Petition für die Kampagne “Rock the Vote” abgedruckt, die die Fans unterschreiben und abschicken konnten. “Rock the Vote” setzte sich für den sogenannten “Motor Voter Act” ein, der es Wählerinnen und Wählern erleichtern sollte, sich für Wahlen registrieren zu lassen. Jeff Gold, der Geschäftsführer von R.E.M.s Label Warner Records und der Leiter der Kampagne hatten die Band davon überzeugt, über ihre CD Werbung dafür zu machen. Die Kampagne sollte dadurch vor allem junge Leuchte erreichen. Durch die Aktion wurden die zuständigen Senatoren innerhalb von drei Wochen nach Album Release mit 10.000 Petitionen überflutet und der Gesetzesentwurf schließlich 1993 abgesegnet. “Out of Time” gilt daher als eines der politisch einflussreichsten Alben in der Geschichte der Vereinigten Staaten.
-
Beim Opener Track “Radio Song” gibt es ein Feature mit dem Rapper KRS-One. Beim Schreiben des Songs stand dieser Plan aber noch nicht: Der Song ist auf Akustik-Gitarren, Bongos, einer Orgel und einer 12-Saiter-Gitarre entstanden. Im Studio hat der Song dann durch die E-Gitarren-Aufnahmen einen eher funkigen Stil bekommen, woraufhin Michael Stipe die Idee für das Rap-Feature bekam.
-
Michael Stipe hatte die Idee, dass seine Stimme bei zu “Belong” weit entfernt klingt, als wäre er an einem anderen Ort. Dazu hat Produzent Scott Litt in der Garage des Studios einen Walkman so umfunktioniert, dass direkt das Tonband bespielt wird. Dadurch entstand der ungewohnte und komprimierte Sound - frei nach dem Motto "When a musician says to you they want something to sound like it's from another place, sometimes the best thing to do is record it in another place".
-
Produzent Scott Litt hat bei den Aufnahmen das ein oder andere mal experimentiert: Zum Beispiel hat er sich bei “Belong” an dem Fingerschnipsen von “Under Pressure” bedient. Bei den Aufnahmen zum “Radio Song” hat er der Band einen Beat von James Brown untergelegt, der später aber wieder entfernt wurde.
-
Ursprünglich war für “Radio Song” ein Feature mit Bill Berry geplant, der eine Strophe singen sollte. Die Demoversion gab es auch schon, aber letzten Endes wurde der Song ohne Berry aufgenommen. Mike Mills bereut die Entscheidung mittlerweile: “Ich denke, seine Version war einfach perfekt. Ich wünschte, wir hätten sie behalten. Das war einfach so ein wunderschöner Gegenpunkt zu deiner (Michael) Stimme.”
-
Der Titel “Shiny Happy People” ist an ein chinesisches Propaganda-Plakat angelehnt: “Shiny happy people holding hands” steht dort unter einem Bild von glücklichen Chinesen geschrieben.
Allerdings ist das Thema nicht so schön, wie es auf den ersten Blick wirkt: Zwei Jahre vor Veröffentlichung des Songs wurden in China Demonstrationen von Studierenden brutal niedergeschlagen, wobei mehrere Hunderte Teilnehmer ums Leben kamen. Im Anschluss wurde mit diesen Plakaten Propaganda für die chinesischen Arbeiter und Soldaten betrieben. Die Ironie des Songs wird allerdings oft gar nicht erkannt - für viele gilt er als Upbeat-Gute-Laune-Song.